Spießig oder doch ehr cool?
Schauen wir uns das doch einmal genauer an 😉
Der Kleingärtnerverein Friederika e.V. befindet sich recht zentral im Herzen von Bochum, genauer gesagt in Altenbochum. Er liegt genau am Geologischen Garten.
Der Verein wurde am 17.01.1932 gegründet und umfasst inzwischen 100 Gärten mit ca. 160 Mitglieder: innen.
Die Fläche gehört der Stadt Bochum und zählt zum öffentlichen Grün der Stadt. Der Verein ist Pächter und hat das Privileg diese wunderschöne Gartenanlage an diesem Ort zu bewirtschaften.
Die Geschichte des Vereins kann man auf der verlinkten Homepage nachlesen 😉
Die Mitglieder: innen sind vielfältig und es ist eine durch und durch bunte Gemeinschaft.
Kleingärtenvereine sind gerade sehr im Wandel, früher ehr als spießig abgetan, sind sie spätestens während Corona doch sehr beliebt geworden.
Doch wie ist es wirklich? Spießig oder doch ehr cool.
Der Teil der es „spießig“ macht:
Manche Dinge in diesem Verein wirken altbacken und spießig, was verständlicher wird, wenn man versteht warum. Auch der KGV Friederika hat als Grundlage das Bundeskleingartengesetz. Es gibt einen Generalpachtvertrag, einen Zwischenpachtvertrag, Unterpachtverträge und eine Satzung, sprich viele Gesetze und Regelungen. Diese sind teilweise sehr alt und sind daher für viele nicht immer nachvollziehbar und dennoch machen sie Sinn!
Ein Kleingarten in unserem Verein ist keine private Erholungs- und Freizeitanlage. Wie schon in meinem Beitrag zum Kleingartenwesen erwähnt soll der Kleingärtnerverein für die Öffentlichkeit einem Mehrwert bringen und Teil des öffentlichen Grüns der Stadt sein.
In gewisser Weise hat der Verein auch einen Bildungsauftrag, so sollten Schulungen und Beratungen stattfinden. Die Gestaltung sollte so sein, dass die Vielfältigkeit an Natur und Anbau erkennbar ist. Dafür bekommt der Verein eine sogenannte „Gemeinnützigkeit“ anerkannt. Diese Gemeinnützigkeit ist sehr wichtig, denn durch sie ist das Kleingärtnerwesen überhaupt möglich. Erstens ist die Gemeinnützigkeit Bedingung zur Gründung und Bestehen eines Kleingärtnervereins, zweitens ist die Pachthöhe daran gebunden.
Auch wir als Verein haben den sozialen Auftrag JEDER finanziellen Schicht die Chance auf einen Garten zu bieten. Das heißt die Pacht richtet sich nicht nach den üblichen Pachten für Bauland, die sich nicht jeder leisten kann, sondern sie richtet sich nach der aktuellen Pacht für Obst- und Gemüseanbau. Momentan liegt die Pacht für einen Kleingarten in Bochum bei der sechsfachen Höhe des Obst- und Gemüseanbaus und ist mit 0,30 Cent/qm für jeden erschwinglich.
Da unser Verein wie schon erwähnt an die Regelungen der ganzen Verträge gebunden ist um die Gemeinnützigkeit zu erhalten, ist es erforderlich auch die sogenannten „spießigen Regelungen“ einzuhalten, doch wie „spießig“ sind sie bei genauer Betrachtung?
Als spießig werden oft die Gemeinschaftsstunden angesehen.
Klar, es ist auch in gewisser Weise eine Pflicht der Mitglieder: innen.
Viele Jahre wurden sie also als Pflichtstunden betitelt. Ich versuche aber gerade den richtigen Begriff „Gemeinschaftsstunden“ wieder zu etablieren.
Im KGV Friederika sind diese Gemeinschaftsstunden sehr human und überschaubar. Jeder Garten muss zwei Mal im Jahr je 3 Stunden Arbeit an den Gemeinschaftsflächen leisten und zwei Mal im Jahr je 3 Stunden am Heckenschnitt teilnehmen. Wir sprechen also insgesamt über 12 Stunden Lebenszeit im Jahr, die man für die Gemeinschaft einsetzt. Das sind nicht einmal zwei Arbeitstage bei einem Vollzeitjob 😉
Zu dem kommt, dass die vom Vorstand festgelegten Gruppen sich während dieser Gemeinschaftszeit auch sozial miteinander beschäftigen können, sofern sie diese Chance war nehmen. Wir sind ein Verein und das muss jedem klar sein, der einen Garten bei uns möchte. Wir haben keine Privatgärten zu verpachten, sondern nur Gärten in einem Verein und damit einer Interessensgemeinschaft.
Es geht auch niemand in einen Fußballverein ohne mit der Mannschaft zu trainieren oder gemeinsam zu Spielen anzutreten.
Das heißt um die Gemeinnützigkeit nicht zu verlieren und den Verein zu erhalten und damit auch seinen kleinen Garten, sind Pflichten erforderlich, nur müssen sie nicht immer als „Pflicht“ empfunden werden, wenn der Rahmen als ein Miteinander gestaltet wird. Am Ende des Tages hat man gemeinsam erreicht, dass die Anlage wieder gepflegt und anschaulich ist.
Das zu der Gemeinschaft.
Ein weiterer Punkt ist der einzelne Garten. Hier wird es oft als übergriffig empfunden, wenn Regelungen den „eigenen“ Garten betreffen. Tatsächlich gehört der Grund und Boden der Stadt und diese bestimmt die Regeln. Der Verein ist verpflichtet diese einzuhalten und man muss Bedingungen akzeptieren, wenn man die Verträge bei Erwerb eines Gartens unterschreibt. Ja, richtig gelesen Mehrzahl… die Verträge.
Tatsächlich gibt es ein Konstrukt aus drei Verträgen, dazu kommt aber ein einzelnen Beitrag.
Dort werde ich mal erläutern, was man WIRKLICH erwirbt und worauf genau sich die Pacht bezieht, Wo Rechte und Pflichten Beginnen und enden 😉
Zugegeben, der ganze letzte Teil klingt ehr nach „spießig“, was kann also doch cool daran sein einen Kleingarten zu bewirtschaften?
Warum kann es heute „cool“ sein dem Verein beizutreten:
Ich kann es hier nur für unseren Verein, den KGV Friederika beschreiben, tatsächlich betrifft es aber generell fast alle Kleingärtnervereine.
Wir befinden uns im Wandel und wir müssen in die Zukunft schauen. Noch vor wenigen Jahren bestanden Vorstände aus älteren (meistens) Herren, die stur nach Satzung handelten oder unter der Hand Einzelregelungen nach Sympathie einräumten, sie standen wie eine Obrigkeit über den Mitglieder: innen und das Gesetz im Verein waren sie. Stammtische, Wandertage und Skatrunden mit Bier bestimmten das Bild.
Die Beete waren gerade ausgerichtet und der Schwerpunkt von Anbau waren Kartoffeln, Möhren, Kohlrabi und Grünkohl so wie Äpfel, Birnen, Himbeeren und Quitten.
Aber zu dieser Zeit war es eine fröhliche Gemeinschaft, die ihre gemeinsamen Interessen teilten, sich halfen, die wildesten Sachen bauten und entwickelten und immer ein lockeres Gespräch über den Gartenzaun pflegten. Jeder kannte jeden und jeder brachte in die Gesellschaft ein was er konnte.
Pflanzen und Gemüse so wie Obst wurde geteilt und berauschende Feste gefeiert.
Diese Menschen sind inzwischen alt, sie sind der Teil unserer Gemeinschaft, die inzwischen ihr 40 oder 50 jähriges Jubiläum feiern. Die Menschen die mit Rollator durch die Anlage laufen und es sind die Menschen, die teils traurig sind, weil die Gesellschaft sich verändert hat und damit auch das Vereins- und Gemeinschaftsleben.
Immer mehr, junge Menschen haben in den letzten Jahren einen Garten bezogen, junge Menschen, deren Interesse weniger darin lag Teil der Gemeinschaft zu sein, sondern nur einen Garten haben zu wollen. Ein Stück Land als Ruhepol und Spielstätte in der Natur, trotzdem nicht weit von zu Hause oder den Geschäften der Stadt weg und kein Interesse am Anbau von Gemüse.
Generell wurde der Garten recht einfach gehalten mit viel Wiese und mit möglichst wenig Pflegeaufwand. Die Gefahr bestand immer mehr private Freizeitplätze zu gestallten. Was natürlich zu einem Konflikt führte, nicht nur der Konflikt zwischen Jung und alt, sondern auch der Konflikt zwischen Rechten und Pflichten.
Während bei den Älteren eine Bereitschaft zur Regelerfüllung bestand hatte die neue Generation ehr den Anspruch ihre Meinung durchzusetzen und einfach mehr Rechte einzufordern als Pflichten zu akzeptieren.
Gerade während der Corona Pandemie waren Kleingärten so beliebt wie nie, aber nicht weil Menschen in den Verein und die Gesellschaft wollten, sondern weil sie einfach nur raus wollten und die Chance in einem eigenen Garten sahen.
Diese Einstellungen riskieren die Gemeinnützigkeit zu verlieren und damit das Ende des Vereins. Dazu frustriert es die Gemeinschaft derer, die ein gemeinsames Interesse am Gärtnern haben.
Also was ist die Lösung und wie bringen wir dem Verein und dem Kleingartenwesen einen „Coolnessfaktor“?
Es ist wie immer die Lösung in der Mitte. Wir müssen uns die Eigenschaften der älteren Generation bewahren wir müssen eine fröhliche Gemeinschaft sein, die ihre gemeinsamen Interessen teilt, sich hilft, die wildesten Sachen baut und entwickelt und immer ein lockeres Gespräch über den Gartenzaun pflegen. Jeder bringt ein was er kann und interessiert sich für seine Mitmenschen.
Pflanzen und Gemüse so wie Obst wird geteilt, Feste mit einer Planung für die ganze Familie müssen gefeiert werden.
Fortschritt durch die neuen Generationen sind eine bunte Vielfallt an Menschen, aus allen Nationen und Queere Menschen.
Die Kartoffeln, Möhren, Kohlrabi, Grünkohl, die Himbeeren, Erdbeeren, Äpfel und Birnen werden durch Kiwi, Jostabeeren, Kaki und Feigen ergänzt.
Die abgegrenzten Rosenbeete weichen auch immer mehr mal einem gepflegten Wildblumenbeet. Bienenfreundliche Stauden haben ihren Weg in die Gärten gefunden und hier und da werden Zäune zwischen den Gärten mit kleinen Toren zum Nachbarn unterbrochen.
Und genau an DIESEM PUNKT befinden wir uns gerade. Das Umdenken geht los, ältere Werte die sinnvoll sind werden wieder geschätzt und gepflegt, die Notwendigkeit von Regeln zu Gunsten der Gemeinschaft wird größtenteils verstanden oder zumindest entsteht ein Interesse zu den Hintergründen. Die Gemeinschaft wird Queerer und internationaler. Es entstehen gerade Gruppen die umweltbewusster werden, wieder mehr Wertschätzung für eigen angebautes Essen ohne Chemie, es muss sich nicht jeder alles Kaufen, weil auch Gartengeräte über den Zaun geteilt werden. Die Artenvielfalt der Tiere, insbesondere der Insekten wird geschätzt und gefördert. Der Vorstand ist nicht eine Aufpasser- und Regelinstanz, sondern besteht inzwischen auch aus vielen Frauen und sieht sich nicht als etwas Besseres sondern nur als ein Teil der Gemeinschaft, der ehrenamtlich für die Gemeinschaft Aufgaben übernimmt. Natürlich müssen Regeln auch eingehalten werden, die Hauptaufgaben liegen aber ehr im Managen der Verwaltungstätigkeiten wie Abrechnungen, Termine und die Kommunikation mit den Zuständigen Stellen wie dem Stadtverband und Dienstleistungsfirmen.
Wir wollen wieder Feste etablieren und die Anlage weiter verschönern. Immer mehr Mitglieder: innen bringen sich ein, weil klar ist, dass man sich immer noch in einem Verein und nicht in privaten Bereichen befindet. Nur gemeinsam schaffen wir die Anlage in die Zukunft zu führen, der lockere Spruch mit Ruhrpottcharme gehört dazu und zur Erntezeit hängen Körbchen an den Toren der Gärten mit geerntetem Obst und Gemüse für alle.
Die Gemeinschaftsstunden beinhalten auch immer einen regen Austausch zwischen Menschen, die sich sonst ehr weniger sehen, weil Ihre Gärten sehr weit auseinander liegen.
Inzwischen entstehen Netzwerke und Austausch, Pflanzen- und Werkzeugtauschbörsen sind angedacht und fährt man in den Urlaub, gießt der Nachbar garantiert die Pflanzen 😉
Wenn man Steine braucht, hat garantiert jemand welche ohne das man erst zum Baumarkt muss. Wenn einer einen kranken Baum fällt, freut sich der nächste über Feuerholz für den heimischen Kamin.
Erde braucht man nicht kaufen, weil man die beste Erde aus dem Kompost holt und wenn man selber keinen hat, hat der Nachbar bestimmt einen Eimer voll über.
Wer etwas lernen will, findet garantiert jemanden der erklären möchte.
Und das alles zu welchem Preis? 12 Stunden Gemeinschaftsarbeit… sinnvolle Regeln beachten und ein paar Bedingungen akzeptieren.
Ich denke der Preis ist nichts zu dem was man bekommt. Eine eigene grüne Oase mit Menschen die gleiche Ziele und Interessen haben, zu jeder Zeit, das ganze Jahr.
Wer Gesellschaft und das Miteinander an gemeinsamen Interessen liebt ist bei uns richtig und wird das Leben in diesem Verein und der Gemeinschaft nicht als spießig sondern als cool empfinden.
Alle diese Dinge hat man nie in einem privaten Einzelgarten. Wer allerdings nur seine eigenen Einzelziele verfolgen will und in seinem Garten eine Freizeit- Wellnessoase bauen möchte, sollte sich ernsthaft überlegen, ob eine Anmeldung im Kleingärtnerverein wirklich das richtige ist 😉
Ich kann nur sagen, ich bin sehr glücklich in diesem Verein und das obwohl ich die Alphaspießerin bin, immerhin bin ich inzwischen erste Vorsitzende des Vereins 😀