Die Vorurteile im Kleingärnerwesen habe ich ja schon einmal angerissen.

Dennoch habe ich freiwillig die Vorstandsarbeit begonnen. Erst als Beisitzerin, dann als stellvertretende Vorsitzende und inzwischen bin ich die Alphaspießerin 😉
Ich wurde zur ersten Vorsitzenden gewählt.

Was soll ich sagen, es ist ein Ehrenamt, es benötigt einiges an Zeit und es umfasst viele Aufgaben, in die man sich nicht nur rechtlich, sondern auch fachlich rein arbeiten muss.
Viele haben mir gesagt man braucht ein dickes Fell, die Mitglieder: innen seien undankbar und interessieren sich für nichts als ihren Eigenen Garten.

Hilfe bräuchte ich nicht erwarten und überall wäre schlechte Stimmung.

Und dennoch habe ich das Amt angenommen. Nicht nur weil ich als studierte Betriebswirtin die fachliche Voraussetzung zur Geschäftsführung mitbringe, sondern vielmehr, weil ich ein Mensch bin, der daran glaubt, dass es immer darauf ankommt wie man in den Wald herein schreit.

Ich wollte etwas verändern, ich wollte nicht darauf hören was man mir alles erzählte, ich wollte meine eigenen Erfahrungen machen und MEINEN Weg gehen.
Ich behaupte, dass ich eine sehr gute Menschenkenntnis habe und eine gute Gesprächskultur auf Augenhöhe ist etwas was ich beherrsche und mir sehr wichtig ist.

Ein gutes Gespräch besteht immer aus mindestens 50% Zuhören ;).

Natürlich traten die älteren Generationen und langjährige Gartenfreund: innen mir kritisch gegenüber. Nicht nur weil ich selber erst knapp 4 Jahre bei Wahl meinen Garten hatte, sondern auch weil ich eine Frau bin und eben erst Mitte der Vierzig.

Recht schnell änderte sich das Blatt.

Die Gartenfreund: innen stellten ziemlich schnell fest, dass ich nahbar bin, dass ich ansprechbar bin und das ich das was ich zusage auch halte. Ich bin keine Vorsitzende die durch die Anlage geht und vermittelt, dass ich über den Dingen stehe.
Wenn Gemeinschaftsstunden sind, habe ich genauso Werkzeug in der Hand wie die Gartenfreund: innen die an dem Tag eingeteilt sind.
Ich versuche sichtbar ein Teil der Gemeinschaft zu sein, denn auch ich bin in erster Linie Gärtnerin. Ich übernehme eben nur ein paar mehr Aufgaben als Andere. Ich vertrete den Verein nach Außen und organisiere ihn nach innen.
Am Anfang fragten mich oft die Mitglieder: innen verwundert, ob ich nicht wüsste, dass ich von den Gemeinschaftsstunden befreit bin.
Ihr Blick unbezahlbar, wenn ich antwortete, dass ich das natürlich wisse, es aber ein Unterschied ist, ob ich nicht „darf“ oder nicht „muss“!
Ich habe den Luxus, dass ich nicht teilnehmen „muss“ weil ich genug andere Aufgaben übernehme. Dürfen darf ich dagegen selbstverständlich und ich kann nicht Gemeinschaft predigen und dann selber nicht aktiv daran teilnehmen.
Gerade bei den Gemeinschaftsstunden sind dann viele auf mich zugekommen, haben mich kennen gelernt, fingen an Fragen zu stellen und erzählten mir was sie in der Vergangenheit an Vorsitzenden gestört hat.
Natürlich ist das kein Amt, bei dem man immer allen alles erlauben kann, nur um dann gut dazustehen.

Im Gegenteil, man muss viele Regelungen durchsetzen.

Während den Gesprächen hörte ich immer wieder raus, das viele Regelungen unverständlich sind und dass Vorstände oft mit erhobenem Finger Dinge durchsetzen oder Wünsche abschmettern. Nicht offen für die Belange der Mitglieder: innen waren.

Also begann ich erst einmal den Erklärbär zu machen 😉
Ich habe begonnen in regelmäßigen Abständen ausführliche Mails zu schicken. Besonders wichtig war mir dabei, keine Beschuldigungen, eine neutrale Haltung, Erklärung der Notwendigkeit des Themas und immer auch eine lobende positive Bestärkung an den Gemeinschaftssinn zu vermitteln.
Das kommt an, die Gartenfreund: innen werden offener, sie kommen auf mich zu, sie sprechen Schwierigkeiten sachlich an und in der Regel finden wir immer eine Lösung die für beide Seiten passt. Manches braucht eben eine Erklärung oder einen Kompromiss. Plane zum Sichtschutz ist eben nicht erlaubt, man kann aber darauf hinweisen, dass man den Zaun durchaus mit Efeu oder wilden Wein zuwachsen lassen darf, was dann nicht nur schöner aussieht, sondern ökologisch auch noch gut ist 😉

Es ist eben auch netter einen Vorschlag zur Änderung zu haben, als ein stumpfes Verbot mit Verweis auf die Satzung anzusprechen.
Nur um ein kleines Beispiel zu nennen.

Das Zauberwort ist „Augenhöhe“!
Dazu kommt noch, dass ich in der Lage bin mich auf mein jeweiliges Gegenüber einzulassen, mit einem alten Ruhrpottler muss man eben anders sprechen als mit einem Hochschulprofessor aus Harvard 😀
Man muss so mit den Menschen sprechen, dass man sie auf ihrem Stand abholt und Dinge in ihrer Sprache erklären.

Man muss auch in der Lage sein Fehler einzugestehen und eine Lernkurve zeigen.

Dieses Amt verlangt eine Menge, Sozialkompetenz, die Fähigkeit zu delegieren, Besuche von Fortbildungen, Teamfähigkeit, Zeit, Fachwissen, stringentes Handeln und Verantwortung.

Das alles ist wunderbar, wenn man es mit Herzblut macht, wenn man es liebt und wenn man in der Lage ist, sich an kleinen Erfolgen zu erfreuen und etwas voranbringen möchte.

Ich kann für mich nur sagen, dass es mir viel gibt, das Gartenfreund: innen nicht nur kritisieren, sondern durchaus auch loben. Dass die Gemeinschaft wieder fröhlicher wird, wenn man sie nicht nur abschmettert sondern beteiligt und positiv bestärkt.
Wenn ich um Hilfe bitte bekomme ich sie, auch ohne dafür Zugeständnisse zu machen.
Wenn beispielsweise Hilfe beim jährlichen Schreddertermin notwendig ist bekomme ich sie, weil ich selber dabei bin und frage wer mir hilft und nicht frage wer es macht und mich damit ausschließe.

Wenn man viele dieser Erfolge und schönen Momente bekommt und vor allem auch zu schätzen weiß, fallen die maximal 2-3 Querulanten gar nicht mehr so auf.
Natürlich gibt es die auch bei unseren 100 Gärten. Sie sind aber gut zu händeln wenn man konsequent und fair für alle gleich handelt.

Wenn die Mehrheit hinter einem steht, kommen die Querulanten nicht weit, weil ihre Meinung die Mehrheit nicht teilt und sie schnell merken dass sie die Minderheit bilden 😀

Vorstände müssen weg von alten Strukturen, sie müssen offener werden. Die Welt ist bunt und die Zeit in der ehrfürchtig und hörig jemandem in diesem Amt gefolgt wurde ist ein Glück vorbei.

Gemeinschaft lebt von der Vielfältigkeit all ihrer Mitglieder!

In dem Sinne bin ich vielleicht die Alphaspießerin, in erster Linie aber eigentlich nur ein Teil der Gesellschaft mit mehr Verantwortung als andere.

Hoffentlich darf ich noch viele Jahre dieses Amt bekleiden. Die nächsten drei definitiv 😀